- sigizitzart
Alltagsphilosophie und die wichtigen Fragen des Lebens.
Was wäre, wenn wir für immer Leben?
Wie können wir das Leben gebührend wertschätzen?
Was ist mit der Zeit?
Wie sieht unserer Wahrnehmung und Einstellung aus?
Meine Suche nach Antworten sind ein Zwischenstand dessen, wie ich mit der Limitiertheit unserer Lebenszeit umgehe. Denn ich habe vor kurzem einen wichtigen Menschen verloren und merke, dass die Konfrontation mit dem Tod mich und meine Wahrnehmung verändert.
Zwischen dem jämmerlichen Versuch der Akzeptanz, dass es den Tod gibt- und meiner Angst davor, kommen mir manchmal auch lichte Gedanken in eine positive Richtung a la : Okay, da ich also weiß ich werde irgendwann gehen, wie kann ich denn das nicht ewige Leben genießen und daraus schöpfen?
Und die Frage die mich zu diesem Beitrag brachte: würde ich das Leben genießen und schätzen, wenn ich wüsste, dass ich für immer lebe?
Dazu habe ich eine prägnante Erinnerung. Und zwar habe ich vor einigen Jahren ein Auslandssemester in Spanien verbracht. In den ersten paar Monaten habe ich diese Zeit nicht in vollen Zügen genossen. Ich konnte mich nicht richtig auf die Parties des Studentenlebens einlassen, ich hatte tierischen Liebeskummer und habe mich damit jeden Tag gedanklich selbst aufgegessen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich in Spanien ganz schön viel Siesta gemacht habe, ellenlange Weinabende und hatte irgendwie das Gefühl „ich komme nicht so richtig weiter“.
Dann kam Weihnachten, ich bin kurz nach Deutschland geflogen. Als ich wieder zurück kam nach Spanien, wurde mir bewusst, dass mein Auslandssemester schon ganz bald endet. Ich hatte noch knapp zwei Monate in Córdoba.
Plötzlich, mit dem Bewusstsein, dass es bald vorbei ist, habe ich Spanien und meine Zeit dort geliebt. Ich habe jede Party mitgenommen, hatte Gespräche mit Fremden bis zum Morgengrauen, habe jede Siesta durchgedöst und war plötzlich in Entdeckerlaune. Die Dinge die ich gemacht hab unterschieden sich nicht von denen meiner Anfangszeit in Spanien. Aber mein Gefühl, begleitet von Genuss und Wertschätzung hatte sich total geändert.
Ein zweites, etwas aktuelleres Beispiel. Eine sehr gute Freundin, die normalerweise in einer Schule arbeitet, hatte in der Lockdownzeit „frei“. Sie erzählte, sie habe permanent auf Merkels news gewartet, um zu wissen, wann sie wieder arbeiten kann. Die Ungewisstheit habe sie gestört und letztlich auch dazu geführt, dass sie ihre Freizeit überhaupt nicht genießen konnte. Weil sie endlos wirkte. Statt also in der dazugewonnenen Freizeit zu denken: „Ich kann jetzt machen was ich will“ schienen ihr die Tage sinnlos. Sogenannte sinnlose Tage gehören für mich in die Kategorie „ich komme nicht richtig weiter.“ Die Tage sind nicht sinnlos, sondern unsere Gedanken dazu. Oder?
Sobald dann die langsame Schulöffnung verkündet wurde, konnte sie wieder genießen. „Ok du hast nur noch ne Woche: dann machst du jetzt alles was du eigentlich machen wolltest“.
Nun ist der Lockdown natürlich eine Extremsituation, die unsere Psyche enorm fordert. Daher finde ich es absolut nachvollziehbar, dass diese Zeit nicht wahnsinnig abgefeiert oder überhaupt als Freizeit wahrgenommen wird. In Spanien bei mir sah das aber anders aus, die Umstände waren die ganze Zeit außergewöhnlich angenehm und trotzdem habe ich sie erst dann richtig geschätzt, als ich wusste die Zeit wird enger.
Bei beiden Beispielen sind folgende Fakten gleich: die Zeit ist da. Die Wertschätzung, die Motivation und der Genuss kommen aber erst dann, wenn das Ende absehbar ist.
Das ist total verrückt und somit meine Ideen zu diesem Thema.
Obwohl wir nicht wissen, wann es vorbei ist, dürfen wir das Leben genießen. Vielleicht gerade deshalb.
Diese Gedanken „ich komme nicht weiter“ oder der Tag ist „sinnlos“ werden dem Lebenswunder nicht gerecht.
Dass wir, auch wenn der Alltag manchmal eintönig scheint, auf nichts warten sollten. Auf dieses unsichtbare nicht absehbare Datum.
Man hört ja auch von Leuten, die von einer schlimmen Krankheit erfahren, dass sie ihr Leben und ihre Gesundheit plötzlich viel mehr schätzen. Dass es dazu erst kommen muss, um das Leben zu genießen, finde ich traurig. Ich arbeite auch daran, diese Einstellung zu verwerfen.
Zu meiner Frage, ob wir nicht lieber für immer leben sollten?
Seine Endlichkeit, auch wenn sie verletzend ist, macht wohl das Leben sinnvoll und vor allem wertvoll. Und zwar nicht erst dann, wenn sein Ende konkret wird.
Wir müssen also weder auf etwas Schlimmes noch auf ein absehbares Datum warten, um das Leben wertzuschätzen. Daran möchte ich dich mit diesem Beitrag erinnern!
<3
Bald mehr,
Sigi