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  • sigizitzart

Mit Händen und Füßen in Japan

Aktualisiert: 12. Feb. 2021

.. wie ist ist das eigentlich, an einem Ort neu anzufangen, an dem man die Menschen nicht versteht?

In diesem Beitrag geht es um meine ersten zaghaften Berührungen mit der japanischen Sprache und meine ersten Eindrücke der japanischen Kultur. Außerdem erfährst du ein paar Alltagsgeschehnisse aus meinen bisher 3 Wochen in Japan.

Ich möchte dich außerdem in diesem Beitrag dazu animieren, Menschen, die deine Sprache nicht sprechen, mit Geduld und Offenheit zu begegnen. Dazu gleich mehr..


Was bisher geschah

Die ersten zwei Wochen gingen ziemlich geschmeidig von statten. Zugegebenermaßen habe ich in der ersten Woche die meiste Zeit tagsüber geschlafen, war aber dafür bis 5 Uhr morgens wach.

Seit ich nicht mehr in Quarantäne bin, strukturiere ich hier nach und nach meinen Arbeitsalltag. Momentan arbeite ich an einer vollkommen neuen Kunstreihe, weil ich meine Bilder und Drucke aus Deutschland nicht mitnehmen konnte.

Abgesehen davon, lebe ich mich hier langsam ein. Gewöhne mich an die neue Sprache, das andere Essen und den ungewohnten Tagesablauf.

Ich schätze mich glücklich weil ich mich gut umstrukturieren- und mich auch ziemlich schnell an einem neuen Ort zuhause fühlen kann. Sonst wär all das auch nix für mich, denke ich.


Japanisch via Zoom


Die ersten 3 Japanischstunden habe ich nun hinter mir. Via Zoom. Es ist schon etwas anderes, vor dem Laptop zu sitzen statt in einer Klasse. Fragen nicht so unmittelbar stellen zu können, die anderen Kursteilnehmer nicht persönlich kennenzulernen…aus meiner Sicht ist zwischenmenschlicher Kontakt nicht einfach so mit einem Bildschirm zu ersetzen. Das beruhigt mich. Zoom Unterricht ist gerade dennoch eine gute Alternative. Wie cool ist das, Japanisch zu lernen?? vor allem, weil ich nie damit gerechnet habe.

Nachdem ich eine kleine Panikattacke bekam, als ich erfahren habe, dass ich alle Schriftzeichen lernen muss, habe ich mich jetzt mit der Idee angefreundet. Es macht mir sogar Spaß, die japanische Schrift zu schreiben. Es ist für mich ein bisschen wie malen. Naja, abmalen. Die Japanisch- Dozentin ist sehr enthusiastisch und gibt Alles, um ihre Zoom- Schüler zu motivieren.

Ich merke momentan, wie wertvoll es ist, die Landessprache zu sprechen. Dass ich danach giere, bestimmte Dinge sagen zu können. Diese Perspektive, die ich schon lange nicht mehr habe einnehmen können, lässt mich das Sprachenlernen nochmal aus einem anderen Blickwinkel sehen. Da ich selbst Deutsch als Fremdsprache gelehrt habe, weiß ich nun, wie wichtig meine Rolle seinerzeit war. Wie wichtig dieser Schlüssel namens Sprache ist. Und damit meine ich die wirklich gesprochene Sprache. Kommunikation, das wissen wir alle- hat ja verschiedene Ebenen. („Man kann nicht nicht kommunizieren“ tönt es jetzt in unseren Hinterköpfen. Ein Satz den jeder schon mehr oder weniger oft eingetrichtert bekommen hat;)). Hut ab vor allen Fremdsprachendozenten.

Kleiner Exkurs für Japanisch- Interessierte:

die japanische Sprache wird in 3 verschiedenen Zeichensystemen repräsentiert.

Kanji das sind die Zeichen, die aus dem chinesischen Alphabet übernommen wurden. Sie haben einen symbolischen Charakter. Teilweise sehen die Zeichen auch so aus, wie das, was sie inhaltlich bedeuten. (Mit ein bisschen Fantasie sieht das Zeichen für Sonne auch so aus wie eine Sonne).

Hiragana wird vor allem für grammatische Phänomene/ japanische Bezeichungen benutzt.

Katakana wird primär für Lehnwörter, wie zum Beispiel europäische Namen oder englische Ausdrücke gewählt. Hiragana und Katakana sind die phonetische Verschriftlichung.

Es führt, wenn man Japanisch lernen möchte, kein Schleichweg an dem Erlernen der unterschiedlichen Schriftzeichen vorbei. Habs recherchiert.

Wenn Vegetarier versehentlich Fleisch naschen

Momentan ist meine Situation so, dass ich noch nicht so richtig spreche und eine Art Sprachbarriere habe. Ich könnte ein paar Worte sagen aber trau mich noch nicht.

Automatisch fange ich dann an, Englisch zu sprechen. Das wiederum wird dann von meinem*r Kommunkationspartner*in nicht verstanden. Natürlich würde der Weg aus diesem Wortsalat hinausführen, wenn ich einfach beginnen würde zu sagen was ich kann. Aber dann könnte die andere Person ja etwas antworten, was ich nicht verstehe. Zu riskant;).

Ich gebe mir Zeit und nehme mich selbst nicht zu ernst, was das betrifft. Denn Stress bringt nichts außer Frust, wenn es darum geht eine Sprache zu lernen.

Meine noch mauen Sprachkenntnisse führten im Alltag bisher zu Folgendem:

  • Ich habe Gyoza mit Fleisch gegessen- dabei ernähre ich mich bevorzugt vegetarisch.

  • Ich habe Suppe geschlürft, in der Muscheln sind. Darüber musste ich irgendwie lachen.

  • Ich habe Suppe geschlürft, in der getrocknete Sardinen sind. Darüber musste ich nicht lachen.

  • Unzählige Situationen, in denen ich bemerke, dass nicht nur die gesprochene- sondern auch die Körpersprache hier ganz anders funktioniert. So setzen viele Japaner ihren Körper ein, um eine Art von Höflichkeit zu vermitteln. Sie weisen mit ausführlichen Armbewegungen darauf hin, an welche Schlange man sich anstellen soll. Sie überreichen Gegenstände mit beiden Händen und verbeugen sich häufig. Letztens habe ich einen Mann gesehen, der einen großen Briefumschlag trug. Er hat diesen mit beiden Händen hinter seinem Rücken getragen und hat dabei eher auf den Boden geschaut.

  • Viele machen beim Laufen eher kleine Schritte.

Und ich? Habe Google- Lense zu meinem besten Freund gemacht. Jedenfalls im Supermarkt.

Was die Körpersprache betrifft denke ich, dass sie mit vielen erlernten, u.a. kulturbedingten Grundsätzen zu tun hat. Ich selbst habe somit andere Dinge, auch was die Körpersprache angeht, in der Kultur meiner Heimat gelernt. Da würde es sich für mich total unnatürlich anfühlen, „japanische Bewegungen“ nachzuahmen.

Embodiment nennt man dieses Phänomen. Mein Körper verkörpert eine Psyche, die ganz anders gefärbt ist.

Ich finde diese Dinge sehr spannend. Mich interessiert auch total, wie „meine Körpersprache“ (wenn man das überhaupt so sagen kann) wahrgenommen wird.

Die oben genannten Beispiele führen oft dazu, dass A. und ich uns zuschmunzeln. Im Falle der Suppe lachen. Und überrascht sind über die nonverbale Kommunikation, die hier der Norm entspricht.

Eine etwas weniger witzige Situation entstand, als A. und ich zusammen Bargeld an einem Bankautomaten einzahlen wollten. Der Automat kannte nur die japanische Schrift. Und so haben wir etwa 8 mal von neuem begonnen, die Aktion durchzuführen. Es gab eine Art Anleitung, auf der präzise erklärt war, welche Taste man wann drücken muss. Aber wir waren zu langsam. Permanent redete eine japanische Automatenstimme, die wir beide nicht verstanden. Dann brauchten wir irgendwelche Pins. Rumgefuchtel mit der besagten Lense- App. Aktion abgebrochen.

Nach etwa 30 Minuten haben wir es dann mit Händen und Füßen, inzwischen schweißgebadet und mit vielen konfusen Momenten geschafft. Da haben wir uns angeschaut und „Pheeeewwwww“ gerufen. High five.

Kleiner Hinweis zur Leserichtung


Ich vermute, dass meine Beschreibgungen der kulturellen Normen, die hier zu gelten scheinen, plakativ und stereotypisch wirken könnten. Ich möchte aus dieser Perspektive, die ich einnehme, meine Begegnungen auf einer Augenhöhe erleben und beschreiben.

Für mich lohnt sich das Risiko, missverstanden zu werden. Es ist aus meiner Sicht besser als zu schweigen.

Denn wie wäre es, wenn ich sagen würde: hier tun die Menschen genau das, was die Menschen in Deutschland tun. Es würde nicht stimmen. Ich bin eine Kulturvermittlerin und dazu gehört für mich eine Beschreibung meiner Erlebnisse.

Dennoch ist meine Wahrnehmung natürlich auch individuell und mag von einer anderen Person anders gesehen werden.

Was kannst du mitnehmen?


Ich möchte mit diesem Beitrag Bewusstsein dafür schaffen, dass Kommunikation ein Schlüssel in eine andere Kultur ist. Zweifelsohne berichte ich aus einer previligierten Perspektive. Mein Mann und ich haben uns bewusst dafür entschieden, in ein Land zu ziehen, in dem für uns alles neu ist. Auch die Sprache. Dadurch können wir über die meisten Missverständnisse schmunzeln und sie mit Humor nehmen.

Es gibt aber unzählige Menschen (nicht nur) in Deutschland, die nicht freiwillig wählen konnten. In ein fremdes Land zu gehen, in dem sie nichts verstehen. Die auch nicht unbedingt darüber schmunzeln können, nicht verstanden zu werden, weil sie es sich nicht so gewünscht haben. Daher möchte ich dafür sensibilisieren, anderen entgegenzukommen. Wenn sie diesen Schlüssel namens Sprache nicht in der Hand haben, kann man ihn mit viel Geduld überreichen. Die Kommunikation einfacher machen. Auf Dinge zeigen. Es nicht unnötig kompliziert machen. Nicht pausenlos auf Deutsch reden, wenn deutlich wird, dass die andere Person nichts versteht. Vielleicht sogar eine ganz andere Sprache sprechen. Die kleinen Dinge, die für uns selbstverständlich sind, erleichtern.

Warst du schonmal in einem Land, in dem du die Sprache nicht verstanden hast und umgekehrt nicht verstanden wurdest? Berichte gerne mal!

Bald mehr,

Sigi

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