- sigizitzart
Von Beruf her Monster malen
Grenzen setzen, Ausdruck von Destruktivem und eine Momentaufnahme hinter den Kulissen meiner selbstständigen Arbeit.

Intro
„Du hast so viele Gesichter
du machst mich leis und schwer
du hast so viele Ecken
die dunkel, trübe sind und leer.
Du hast so viele Bilder
eingebrannt in meinen Geist.
Ich bin so oft geflohen vor dir,
aber du bist immer mitgereist.“
-Sigi Z.,2021
Was zuletzt geschah
Vor etwa einem Jahr, ein genaues Datum ist unmöglich zu benennen, habe ich die Entscheidung getroffen, hauptberuflich zu malen. Gemalt habe ich schon immer.
Das behaupte ich jetzt mal, ohne mich an jeden Tag meines Lebens zu erinnern.
Doch die Gründe dafür habe ich, vor allem in den letzten Monaten, in eine etwas andere Richtung gelenkt. In eine professionelle Richtung. Das ist nichts, was von außen festgelegt ist. Denn gerade im künstlerischen Bereich gibt es ja inhaltlich wenig Regeln, „wie man was macht“. Ich habe inzwischen gelernt, dass jede*r Künslter*in einen ganz individuellen Weg hat. Das ist eine Herausforderung, aber auch zeitgleich der Grund für meine felsenfeste Entscheidung, meine kreative Arbeit hauptberuflich zu machen.
Von der Monster- zur Kunst-Galerie
Exkurs: Monster in diesem Text= all das Destruktive, was wir tun und gelernt haben. Ungesunde Muster. Die Symptome unseres Schattens. Süchte, Fehlkommunikation, Komplexe. All das, was oft als düster bezeichnet wird, sich auch so anfühlt. Das, was wir verdrängen.
Ich habe dazu einen sehr guten Zugang. Vielleicht ist das sogar ein Aspekt vieler Kreativer: der Zugang zu einer riesigen Bandbreite an Emotionen, den hellen und dunklen Ecken des Menschseins. Vielleicht ist das aber auch ein längst überholtes Klischee a la „die künstlerische selbstzerstörerische Persönlichkeit“?
In der Vergangenheit habe ich Malerei, Zeichnen und Schreiben ausschließlich genutzt, um mich selbst auszudrücken. Um das, was emotional in mir stattfindet, zum Vorschein zu holen. Um das zu zeigen, wofür meine Worte fehlen. All diese Techniken waren für mich purer Selbstausdruck. Vom Kindergartenalter aufwärts.
Vor allem Ausdruck des Monsters. Denn die (als gut empfundenen) Dinge und Emotionen sind ja a) nicht tabuisiert und dadurch b) meistens zugänglicher. Und so kam es, dass ganz viele meiner früheren Bilder und Texte sehr düster sind. Sie kommen auch eher aus einer unbewussten, Ebene. Oft dachte ich nach einem Bild oder Text „Huch, was ist das denn?“
Hier zwei Beispiele früherer Arbeiten:

MNDFCK, Sigi Zitz, 2015
2. Missing, Sigi Zitz, etwa 2016

Und heute?
In den letzten Monaten habe ich gemerkt, dass meine visuellen Arbeiten (also alles, außer Lyrik- die ist eine Ausnahme- dazu aber an anderer Stelle mehr) weniger Selbstausdruck sind, als vorher. Weniger Monster- Ausdruck.
Damit ging sehr viel einher, was von außen unsichtbar ist. Unter anderem, dass ich mein Ventil ein Stück weit verändern musste. Dass meine nackten Monster einen anderen Raum als die Leinwand bekommen müssen. Den haben sie zum Beispiel in einem ungeteilten Sketchbuch und meinem Tagebuch.
„Beruflich malen“ bedeutet für mich unter Vielem, Bilder und Symbole zu finden, die von mir selbst etwas losgelöster sind. Die auch dich ansprechen. Die uns verbinden. Die nicht nur meins sind. Sondern vielleicht auch deins.
Das hat ganz viel mit Kommunikation zu tun, und auch damit, mich selbst zu beschützen. Und eben nicht meine Traumata offen zu legen und für jeden zugänglich zu machen. Das ist für mich auch der (sehr) feine Unterschied zwischen Hobby- und Berufsmalen.
Natürlich ist diese themenbezogene Trennlinie verschwommen. Das, was ich gestalte hat immer mit mir zu tun in der Hinsicht, dass es ein Ausdruck meiner Wahrnehmung im Innen oder Außen ist. Dabei bin ich sehr offen. Und es scheinen auch immer mal wieder Monsterthemen durch, weil ich weiß, dass wir sie alle kennen.
Doch es gibt eine Grenze nach meinem eigenen Ermessen, die es mir erlaubt, Dinge für mich zu behalten. Das heißt meine Kunst ist nicht mehr ausschließlich, so wie damals, an meine schmerzhaften Erfahrungen geknüpft.
Diese Bewusstmachung hat mir persönlich sehr gut getan. Und meiner Arbeit auch, weil sie nicht mehr nur als Eigennutz gedacht ist!
Was möchtest du beschützen?
Ich hoffe, du kannst von diesem Thema etwas mitnehmen und vielleicht selbst überlegen, in welchen Bereichen du gerne die Dinge beschützen möchtest. Welche Bereiche geteilt werden dürfen und warum, und was du einfach gerne für dich in einem geheimen Raum behalten willst.
Und auch, falls du nicht gestalterisch arbeitest, das Thema Abgrenzung geht uns ja doch irgendwie alle an! Wohl gemerkt geht es hier um die Abgrenzung im Sinne von „was gebe ich preis?“
Man könnte auch Eingrenzung sagen. Abgrenzung kann ja auch bedeuten, etwas von außen nicht an sich heran zu lassen- das meine ich hier aber nicht.
Kennst du das denn auch, dass du dir Gedanken darüber machst, wie viel Privates/ welche emotionalen Themen du mitteilen möchtest?
Das kann in Gesprächen sein, in anderen Ausdrucksformen, bei social media...
Dann habe ich drei Fragen für dich, die dir bei der Entscheidung helfen könnten.
1. Was haben andere von dem Inhalt (xy), den du mitteilst?
2. Warum ist es dir ein Anliegen, xy mitzuteilen?
3. Was könnte dagegen sprechen, xy mitzuteilen?
3. Illustration You´ll never walk alone, Sigi Zitz, 2022

Ein etwas abstrakter Text, ich hoffe du bist den Beitrag über bei mir geblieben;) übrigens handelt es sich hier bezüglich meiner Kunstentwicklung, so wie in jedem Beitrag, um eine Momentaufnahme. Vielleicht denke ich in einem Jahr anders über die Inhalte meiner künstlerischen Arbeit. Genau diesen Wandel und diese Offenheit für Möglichkeiten liebe ich an dem, was ich tue.
Bald mehr,
Sigi
Anmerkungen
Die Bilder 1. und 2. in diesem Text waren vorher in meinem Portfolio. Ich habe mich dafür entschieden, sie herauszunehmen. Weil die Schatten nicht mehr Hauptthema meiner Arbeit sind. Übrigens ist dieses 1. Bild oben (MNDFCK) eines meiner persönlichen Lieblinge. Es ist eines meiner allerersten Acrylbilder und ich habe es in einem Moment gemalt, in dem ich psychisch sehr instabil und verletzlich war.
Schau doch mal hier, eine aktuelle Version meines Malerei- Portfolios.
Bild 3. ist eine aktuelle Illustration. Ich habe sie gemalt um zu veranschaulichen, dass wir vor unseren Monstern nicht weglaufen können. Sie reisen in gewisser Weise immer mit. Um sie zur Ruhe zu bringen, müssen wir sie anschauen und mit ihnen verhandeln, arbeiten, ihnen gute Richtungen zeigen.
Noch eins: ich habe einen neuen Newsletter. Die Mailmuse. Sie ist was für dich, wenn du dich über eine ganz bunte Mischung aus Inspiration für den Alltag, Ideen für Rezepte, Musik oder Lesetipps, Dinge aus Japan oder anderen Reisen und Informationen über meine Arbeit freust. Keine Angst vor Spam, ich teile etwa alle 4 Wochen eine Liste mit 5 Dingen für dich.