Mit diesem Text möchte ich dafür sensibilisieren, an welchen Herausforderungen KünstlerInnnen wachsen müssen, um die eigene Kunst zu zeigen. Dabei geht es unter anderem darum, einen konstruktiven Umgang mit dem inneren Kritiker* zu finden.
Vor kurzem habe ich eine Ausstellung in Aachen gemacht und mir wurde bewusst, dass sich für mich der Erfolg dabei vor allem darin zeigt, wie ich als Künstlerin mit dem Präsentieren meiner Kunst umgehe.
Da ich neben Anderem auch Ergotherapeutin bin, kenne ich mich aus mit dem Thema „Produkt als Handlungsergebnis.
Dazu ein paar Überlegungen vorab:
Der Umgang mit Kunstwerken- eine entwicklungstechnische Perspektive
Produzierte Kunst ist ein sehr direktes Handlungsergebnis; es lädt ein zur Kritik, zur Bewertung, aber auch zu Nicht- Beachtung und Gleichgültigkeit.
Kunst ist ein Produkt das bei uns von früh auf bewertet wird. Wir sagen fast automatisch, „Oh das hast du aber schön gemacht“, wenn ein Kind ein Bild malt. Und mit diesen Prägungen wachsen wir auf. Wir zeigen dann irgendwann nicht mehr gerne, was wir malen oder herstellen. Weil wir dann denken, „es könnte sein, dass das nicht schön ist“. Oder sind frustriert, wenn ein Bild nicht aussieht, wie wir es uns vorgestellt haben. Da ich gerade mit Grundschulkindern arbeite, spreche ich nicht nur aus persönlicher Erfahrung, sondern kann es jeden Tag beobachten. Allerdings glaube ich nicht, dass es etwas Schlechtes ist, Kindern ein Erfolgserlebnis zu vermitteln. Doch fest steht, dass es etwas mit Kindern und später Erwachsenen macht, wenn das was produziert wird immer bewertet wird.
Ein Großteil der Menschen, mit denen ich über kreatives Arbeiten spreche, erzählen mir, dass sie nicht malen können/unkreativ sind. Dass sie das „früher mal gemacht haben“ aber keine Zeit mehr haben. Ist es wirklich die Zeit oder hält der Glaube, dass Kunst schön sein muss, sie zurück?
Der Umgang mit Kunst- im klassischen Sinne
Im klassischen Kunstmarkt, geht es vor allem um die Kalkulation des Kunst- Wertes.
Kunst wird als Investition gehandhabt; dabei ist ihr Wert oftmals ideell. Das heißt bspw., dass der Wert eines Werkes nicht mit den reinen Materialkosten bemessen- sondern durch andere Werte ersetzt wird. Ein guter Geschmack, eine Erinnerung, eine Investition in die Zukunft -denn der Wert könnte steigen- ein Abdruck des Zeitgeistes.
Ich habe den Eindruck, dass die Basis für diesen ideellen Wert in der Kunstwirtschaft auf Spekulation, auch auf Willkür- kurz auf unbeständigen Säulen steht. Daher gibt es auch keine offiziellen Regeln, an die ein/e KünstlerIn sich halten muss um innerhalb dieses Marktes Erfolg zu haben. Glücklicherweise gibt es aber heute viele Künstlerströmungen, die abweichen von diesem Markt, den ich hier etwas plakativ darstelle. Dadurch existiert für Künstler durchaus die Freiheit für eigene Regeln.
Wie arbeite ich damit?
Als Künstlerin habe ich mich des Öfteren schon zwischen diesen beiden herausfordernden Stühlen stehen sehen. Einmal der Gedanke, etwas erschaffen zu wollen, das anderen gefällt. Einen ideellen Wert, der auch auf persönlichem Geschmack, letztlich undefinierten Kriterien und Spekulation beruht. Würde es greifbare Regeln dafür geben, wäre jeder Hochschulabsolvent ein erfolgreicher Künstler. (Ich spreche von dem Werk an sich, der Frage „was erschaffe ich?“. Unabhängig von verschiedenen Kontakten und Marketing- Strategien).
Und auf der anderen Seite der Struggle, den viele Künstler haben. Unterbewusst. Ein schleichendes Gefühl, dass die eigene Kunst aussieht wie Kindergartenmalerei. Vergleichen mit anderen, die in ihrem Kunstprozess an einem ganz anderen Punkt stehen. Ein wütender innerer Kritiker, der kein Erbarmen kennt. Am Rande mein Buchtipp zu dem Thema: „Die Heldenreise des Künstlers- Kunst als Abenteuer der Selbstbegegnung“ von Raymond Unger.
Meine Position
Irgendwann dieses Jahr habe ich mich dafür entschieden, vor allem an dieser persönlichen Komponente zu arbeiten, denn die Mächte des Kunstmarktes habe ich nicht in der Hand.
Ich versuche meinen inneren Kritiker auszuschalten und meinem Bedürfnis, Kunst zu erschaffen und diese auch zu zeigen, nachzugehen. Eine Freundin fragte mich mal, ob ich auch Kunst machen würde, wenn niemand sie sehen würde. Ja das würde ich um des Schaffens willen. Doch meine Kunst zu zeigen ist insofern wichtig für mich, da sie ein Kommunikationsmedium ist. Damit teile ich mit, was ich erlebe, wie ich die Dinge erfahre und biete auch anderen die Möglichkeit an, mein Tun als Spiegel und mich als Vermittlerin zu sehen.
In meiner letzten Ausstellung sind mir diese Dinge aufgefallen. Die Wichtigkeit, die eigene Kunst so zu lassen wie sie ist. Ob sie schön ist oder nicht. Das ist intensive Arbeit und für mich ein Prozess. Denn letztlich könnte ich anstelle von Wertschätzung auch jedes einzelne Kunstwerk auseinander nehmen, wenn ich mich auf meine Kritikerstimme einlasse.
Herausfordernd ist es für mich auch ,dass meine visuellen und schriftlichen Darstellungen größtenteils auf verschiedenen Erfahrungen und Erlebnissen basieren. Das heißt, meine Kunst macht mich durchaus nackt. Dann wiederum ist sie nur eine Momentaufnahme und ein einzelner Eindruck meiner Wahrnehmung, der sich einen Moment später auch wieder verändern kann.
Ideen, um mit dem Kritiker umzugehen.
Ich spreche in diesem Beitrag von der Präsentation der eigenen Kunst, weil es ein Thema ist das meiner Aufmerksamkeit bedarf. Vielleicht geht es bei dir um etwas anderes, was du erschaffen und zeigen möchtest, sei es ein physisches Produkt oder ein Teil deines Gedankenguts. Ich lade dich ein, dich von diesen Grundsätzen für dein persönliches „ich zeige mich“ Thema inspirieren zu lassen.
1. Wo stehe ich im Prozess?
Ein nüchterner Blick auf den eigenen Entwicklungsprozess hilft, ein realistisches Bild von sich selbst zu entwerfen. Bin ich eher am Anfang, möchte ich noch einige Fähigkeiten erwerben um meine Ziele zu erreichen? Oder bin ich da, wo ich sein möchte? Was ist bisher passiert und was habe ich dafür getan? Was möchte ich noch tun um weiterzukommen? Und ist das realistisch oder eher ein ausgeschmücktes Ideal, dem ich eigentlich nicht standhalten kann oder möchte?
Gerade die letzte dieser Fragen nimmt den Druck etwas raus. Wenn du dir dessen bewusst bist, wie die eigene Entwicklung, die Erfolge und auch deine Lernpotenziale aussehen entschärft das die kritische Stimme in deinem Kopf.
Kritiker: „Du kannst das nicht“
Du „Ist nicht schlimm, weil ich es lernen werde/ Ist nicht schlimm, weil ich merke, dass ich es doch nicht brauche.“
2. Freimachen von altbekannten Ansprüchen #1 Geld
Ich kann es nicht leugnen, es ist schön, Kunst zu verkaufen. Es ist ein tolles Gefühl, wenn jemand dir Geld für etwas gibt, das du geschaffen hast. Mit deiner Lebenszeit, die begrenzt ist. Und mit seiner/ihrer Lebenszeit, die begrenzt ist. Wenn du gestalterisch arbeitest (womöglich auch in anderen Bereichen), nimmt es dir jedoch enorm viel Druck, wenn dein oberstes Ziel nicht nur Geld ist. Sondern auch das Erschaffen an sich. Ersteres kann gerade im Bezug zu Ausstellungen frustrierend sein. Ausstellungen dienen dir je nach Ort dazu, Kontakte zu knüpfen. Das was du tust zu zeigen. Du machst ein Angebot, das freiwillig wahrgenommen werden kann. Nicht mehr oder weniger. Du verkaufst etwas? Toll! Du bekommst einen Auftrag? Noch toller. Aber selbst wenn nicht, ist das auch okay. Dann hast du dich trotzdem gezeigt und Menschen kennen dich und das was du tust. Sie haben dann auch die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt auf dich zuzukommen.
Mir hat dieser Gedanke in der letzten Zeit sehr dazu verholfen, mit meiner Kunst zwangloser und freier umzugehen. Sie ist das Produkt meiner kostbaren Zeit. Sie ist ein Angebot zum Schauen, zum Wiedererkennen und eben auch zum Kaufen.
3. Freimachen von altbekannten Ansprüchen #2 Schön sein
Kunst muss nicht schön sein. Sie muss nicht mal bewertet werden. Davon gehen wir unbewusst sehr oft aus (siehe oben). Klar, wenn wir auf eine Ausstellung gehen dann gewinnen wir innerhalb von Sekunden einen Eindruck: „Mag ich“ „Mag ich nicht“ „Ist mir egal“ und so fort. Das ist auch in Ordnung, aber für dich als Künstler/in darf es unwichtig sein, wie deine Werke bewertet werden.
Bei mir ist es so, dass ich das was ich darstelle, vor allem als Kommunikationsform sehe. Als Momentaufnahme aus meinem Leben, meinen Gedanken und Erfahrungen. Sie ist nicht das, was mich als ganze Person ausmacht.
Welche Gefühle, Gedanken und Wertungen meine Kunstwerke hervorrufen, liegt zu einem großen Teil außerhalb meines Einflusses. Sie sind so gestaltet, dass sie viel Freiraum für Eigenes lassen.
Ich finde es manchmal spannend, was Menschen in meinen Texten oder Bildern lesen. Dinge, die ich so eigentlich nicht gemeint habe. Es macht die Kunst lebendig.
Im Museum frage ich mich übrigens bei manchen kunsthistorischen Ausdrücken auch oft, ob der Hersteller das tatsächlich so gemeint hat oder ob da nicht Fantasie und Kunsthistorik zusammentreffen;)
Diese drei Aspekte ließen sich fortsetzen; sie treffen unter anderem meinen persönlichen Kern im Bezug auf Blockaden. Steine, die mir mein innerer Kritiker gern in den Weg legt. Vielleicht hast du auch andere Themen. Schau sie dir in Ruhe an.
Finde heraus, ob es neben deinem Kritiker auch Gedanken gibt, die dich beraten. Lass dich nicht abhalten von Unsicherheiten. Zeige dich stattdessen. Du weißt nie, wer sich darüber freut, dich zu sehen.
Sigi
* der innere Kritiker ist eine psychische Instanz, die unsere Unsicherheiten und Ängste verkörpert und uns mit einer lauten Stimme warnt- oder im worst case im Weg steht etwas zu tun.
Zu dem Thema gibt es eine Menge Literatur- frag Seniora- Google und du wirst fündig, wenn du dich stärker in das Thema einlesen möchtest.
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